Gedenkveranstaltung zum 75. Tag der Befreiung von Auschwitz
- 2. Februar 2020
- Text und Fotos: Roswitha Strüber
„Von den SS-Wachmannschaften wurden wir nur als Stücke bezeichnet. Ich war das Stück mit der Nummer B 3635, eintätowiert auf meinem linken Unterarm.“ Paul Sobol, Überlebender des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau, war auf Einladung des Vorstands der Israelitischen Gemeinde Freiburg am Sonntag, den 2. Februar 2020 von Brüssel nach Freiburg angereist, um über seine Erlebnisse im Dritten Reich und speziell von seiner Inhaftierung in Auschwitz zu berichten. Vor rund 200 Besuchern, die in das jüdische Gemeindezentrum gekommen waren, informierte der 94-Jährige zunächst über einige Stationen seines Lebensweges. Geboren wurde er 1926 in Paris, da seine polnisch-jüdischen Eltern zuvor von Warschau nach Frankreich gezogen waren. Zwei Jahre später siedelte die Familie nach Brüssel um und lies sich während des deutschen Einfalls in Belgien 1940 einbürgern. 1944 denunziert, wurden Paul Sobol, seine Eltern und Geschwister von der Gestapo verhaftet und mit dem letzten Konvoi von Belgien nach Auschwitz deportiert. Es begann für Paul Sobol eine Leidenszeit mit unbeschreiblichen körperlichen und seelischen Misshandlungen. „Wir waren Untermenschen, beraubt unserer Würde und unserer Menschenrechte“. Die detaillierten Schilderungen über die täglichen Schikanen, Schläge und entwürdigenden Behandlungen im Lager, denen die Häftlinge ausgeliefert waren, hinterließen bei den Zuhörern tiefe Betroffenheit. Heute sieht Paul Sobol seine vornehmliche Aufgabe darin, als Buchautor und als Zeitzeuge über das Erlebte zu berichten und mit seinem Engagement dafür zu sorgen, dass die Schrecken der Nazi-Zeit nicht in Vergessenheit geraten.
Mit großem Applaus vom Publikum bedacht dankte die Vorstandsvorsitzende Irina Katz Paul Sobol sehr herzlich für sein Kommen. Seine Teilnahme an der Gedenkveranstaltung zum 75. Tag der Befreiung des Lagers Auschwitz-Birkenau in der Freiburger Synagoge sei ein besonders wichtiger Akzent für eine authentische Erinnerungs- und Gedenkarbeit in der gegenwärtigen Zeit, betonte Katz.
Christoph Heubner, Vizepräsident des Auschwitz-Komitees, würdigte ebenfalls die engagierte und nicht nachlassende Informationsarbeit von Paul Sobol und anderen Zeitzeugen. Gerade die Authentizität der Erzählungen findet Zugang zu den jungen Menschen, die in besonderer und überzeugender Weise über die vergangenen Verbrechen der Nazis in Kenntnis gesetzt werden müssen. Auschwitz ist das Synonym für den Holocaust und die Ermordung von sechs Millionen Juden schlechthin. Ein unverfälschtes Wissen über die Geschehnisse ist unabdingbar.
Zuvor hatte Irina Katz im Synagogenraum die Gedenkveranstaltung zum 75. Tag der Befreiung von Auschwitz-Birkenau durch die Sowjetischen Soldaten eröffnet. In ihrer Begrüßungsrede sagte sie: “Seitdem sind nunmehr 75 Jahre vergangen, Judenhass und Antisemitismus leben trotzdem in zunehmendem Maße in unseren Gesellschaften weiter. Deshalb sind Gedenktage und Gedenkveranstaltungen von großer und nicht zu überschätzender Bedeutung. Auf der Gedenkveranstaltung in Yad Vashem vor einigen Tagen sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor über 50 Staats- und Regierungschefs, dass es keinen Schlussstrich unter das Erinnern geben darf. In diesem Gedanken haben wir Sie heute zu uns in das Jüdische Gemeindezentrum eingeladen, um miteinander über die damaligen Geschehnisse ins Gespräch zu kommen“. Nach kurzen Beiträgen von Stadtrat Simon Sumbert und Pfarrerin Hübner trug Kantor Moshe Hayoun zum Gedenken an die millionenfachen jüdischen Opfer das „El male rachamim“ vor, in dem die verschiedenen Vernichtungslager namentlich erwähnt werden.
Ihren Abschluss fand die Gedenkveranstaltung mit einem Klavierkonzert der beiden Pianistinnen Ada Heinke und Karina Cveigoren u.a. mit Werken von Johann Sebastian Bach, Frederic Chopin und Ludwig van Beethoven. Für ihr virtuoses, kraftvolles Spiel wurden beide Künstlerinnen mit großem Applaus verabschiedet.