„Jüdisches Leben gehört zu Deutschland. Punkt!“
Oberbürgermeister Martin Horn auf Antisemitismus-Kundgebung
Text und Fotos: Roswitha Strüber
Unmissverständlich gab Oberbürgermeister Martin Horn auf der Veranstaltung „Für jüdisches Leben in Deutschland. Für Frieden in Israel. Gegen Antisemitismus.“ jeglichen antisemitischen Parolen und Aktionen eine klare und deutliche Absage. Die Israelitische Gemeinde Freiburg hatte am Freitag, den 18. Juni 2021 zu einer Kundgebung auf den Platz der Alten Synagoge eingeladen, um ein öffentliches Zeichen gegen die wachsende Judenfeindlichkeit in der Gesellschaft zu setzen. In seiner Begrüßungsansprache forderte Horn eine weltoffene Stadtgemeinschaft, in deren religiösem und kulturellem Leben das Judentum mit seiner Jahrtausende alten Tradition einen festen Platz einnimmt. Der Oberbürgermeister zeigte sich zufrieden, dass jüdische Menschen nach der planmäßigen Vernichtungspolitik des nationalsozialistischen Regimes in Freiburg wie auch in der gesamten Bundesrepublik wieder Fuß gefasst haben und heimisch geworden sind.
Zuvor hatte die Vorstandsvorsitzende der Israelitischen Gemeinde Irina Katz den zunehmenden Hass und die vermehrten verbalen und körperlichen Angriffe gegen Juden und ihre Einrichtungen beklagt und verurteilt. Als hilfreiche Unterstützung im Kampf gegen die rassistischen Anfeindungen bezeichnete Katz die Arbeit des Vereins „Jüdisches Leben in Deutschland“. Im Rückblick auf die erste urkundlich gesicherte Anwesenheit jüdischer Menschen auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik hat der Verein das Jahr 2021 als Jubiläumsjahr ausgerufen, um auf die lange Tradition jüdischen Lebens in Deutschland aufmerksam zu machen. 1700 Jahre ist es her, dass der römische Kaiser Konstantin d. Gr. in einem Edikt festsetzte, dass Juden der Zugang zu öffentlichen Ämtern zu gestatten ist. Die Verwaltung der Stadt Köln hatte im Jahr 321 eine diesbezügliche Anfrage an Rom gerichtet. Mit seiner Aktion will der Verein sichtbar machen, wie jüdisches Leben in der Gegenwart in Deutschland aussieht, und zugleich einen kulturellen, politischen und religiösen Dialog anstoßen, der ein zukünftiges Zusammenwachsen innerhalb der Gesellschaft befördert und für ein gegenseitiges Verständnis und Vertrauen wirbt.
Frieden für Israel, Frieden für Jerusalem. Dr. Dr. Christian Würtz, Weihbischof des Erzbistums Freiburg, erinnerte in seinem Grußwort an die biblische Verheißung, dass dereinst nach Zeiten des Unglücks Frieden im Heiligen Land und der Stadt Jerusalem einkehren werde. Allein schon im Namen Jerusalem, der Stadt oder Haus des Friedens bedeutet, liegt die Hoffnung begründet, dass Krieg und Schrecken ein Ende haben werden, so der Weihbischof.
Freiburg ist die Stadt Martin Heideggers, der sich durch die Überlegungen in seinen Schwarzen Hefte als überzeugter Nazi-Sympathisant und Antisemit erwiesen hat, so Michael Blume, Beauftragter des Landes Baden-Württemberg gegen Antisemitismus, in seiner kurzen Rede; Freiburg ist aber auch die Stadt Gertrud Luckners, die bedrohte Juden unterstützte und zur Flucht aus Deutschland verhalf. Ihr Einsatz für die verfolgten Mitbürgerinnen und Mitbürger muss Motivation und Beispiel sein für ein energisches Auftreten gegen heutige antisemitische und rassistische Hetze. Angesichts der konfliktreichen Situation, die sich im Zusammenhang mit dem Gedenkbrunnen auf dem Platz der Alten Synagoge entwickelt hat, brachte Blume die Errichtung eines Drei-Religionen-Hauses an dieser Stelle ins Gespräch, in dem Juden, Christen und Muslime gemeinsam ihre Interessen zusammenführen können. Wie Irina Katz in ihrer Eingangsrede betonte, begrüßt sie die Idee und wird sich für deren Planung und Umsetzung nachdrücklich einsetzen.
In ihrer Grußbotschaft aus München, die von der Freiburger Schauspielerin Natalia Herrera verlesen wurde, verurteilt die Generalkonsulin des Staates Israel Sandra Simovich die massiven Raketenangriffe der Terrororganisation Hamas in jüngster Zeit auf Städte und Zivilbevölkerung in Israel. Angesichts der tödlichen Bedrohung aus dem Gazastreifen sieht Simovich die israelischen militärischen Abwehrmaßnahmen als gerechtfertigt. Oberste Aufgabe und Pflicht des Staates ist es, für den Schutz der eigenen Bevölkerung zu sorgen. Gleichwohl erhofft sich die Konsulin eine Entspannung der konfliktbeladenen Situation und ein friedliches Miteinander von jüdischen und arabischen Menschen.
Große Beachtung und Beifall fanden die Worte von Abdel-Hakim Ourghi, der sich kritisch mit dem in der arabischen Welt systematisch gelehrten und gepredigten Juden- und Israelhass auseinandersetzte. Muslime müssen den religionspolitisch gesteuerten Antisemitismus, der bereits Kindern in Schule und Familie vorgelebt wird, hinterfragen, sagte der Freiburger Religionswissenschaftler. Ourghi bedankte sich ausdrücklich bei der Israelitischen Gemeinde für die Einladung und die Möglichkeit, auf der Kundgebung zu sprechen.
In einem kurzen Abriß skizzierte Dr. Heinrich Schwendemann die Geschichte des Judentums in Freiburg, das im Jahre 1281 ersturkundlich erwähnt wird, möglicherweise jedoch schon 50 Jahre früher seinen Anfang nahm. Mit der Gründung der jüdischen Gemeinde 1864/65 und dem Bau der alten Synagoge 1869/70 am Werthmannplatz etablierte sich das Judentum als festes Element in der Stadtgesellschaft. Nazi-Terror, Ermordung und Deportation der jüdischen Bürger und Brandschatzung der Synagoge konnten jedoch nur vorübergehend jüdisches Leben in der Stadt auslöschen. Heute nimmt die israelitische Gemeinde wieder einen festen Platz im Stadtgeschehen ein und beteiligt sich sichtbar am öffentlichen Leben Freiburgs. Die Hilfen des Landes Baden-Württemberg und der Stadt Freiburg haben den Weg ins Jetzt maßgeblich unterstützt.
Die weiteren Grußbotschaften, so von den politischen Parteien CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen, der evangelischen Landeskirche Baden, dem Freundeskreis Tel Aviv/Jaffo, und dem NS-Dokumentationszentrum Freiburg – die israelitische Gemeinde hatte insgesamt 13 Rednerinnen und Redner eingeladen – unterstrichen die religiöse und kulturelle Bereicherung, zu der das jüdische Leben in Deutschland beiträgt. Zugleich wiesen sie aber auch auf die Gefährdung hin, die von rechtem, linken und muslimischen Antisemitismus ausgeht. Nikita Karavaev, Mitglied der israelitischen Gemeinde und bei Makkabi Freiburg, verurteilte in seinem kurzen Redebeitrag die terroristischen Angriffe der Hamas auf Israel und unterstrich mit aller Entschiedenheit die Berechtigung Israels zur Verteidigung des Landes und zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger.
Das Musikensemble Folkadu umrahmte und begleitete die Veranstaltung u. a. mit Liedern aus Israel, die Yael Gat in Hebräisch, Jiddisch oder Ladino vortrug.