150. Jahrestag der Einweihung der Alten Synagoge Freiburg
- 23. September 2020
- Text und Fotos: Roswitha Strüber
„Jüdisches Leben ist in Freiburg wieder präsent und in der Öffentlichkeit wahrnehmbar“. Dieses Fazit zogen alle Redner anlässlich der Gedenkveranstaltung zum 150. Jahrestag der Einweihung der Freiburger Alten Synagoge im Jahre 1870, die vor einer spektakulären Laserinstallation mit Bildern der Alten Synagoge auf einer Wassernebelwand, in Szene gesetzt von der Freiburger Firma „Impulswerk“, stattfand. Gemeinsam hatten die Stadt und die Israelitische Gemeinde am Mittwoch, den 23. September 2020 abends zu einer Feierstunde auf den Platz der Alten Synagoge eingeladen.
Erster Bürgermeister Ulrich von Kirchbach zeigte sich in seiner Begrüßung zufrieden darüber, dass die Jüdische Gemeinde wieder einen festen Platz in der Freiburger Stadtgesellschaft einnimmt und mit ihrem religiösen und kulturellen Leben die städtische Kulturlandschaft bereichert. Gleichzeitig mahnte der Bürgermeister jedoch die Bereitschaft der Bürgerschaft an, entschlossen und unmissverständlich jeglichen antisemitischen Erscheinungsformen entgegenzutreten, die in letzter Zeit vermehrt festzustellen sind.
Vehement wandte sich auch Dr. Michael Blume, Antisemitismusbeauftragter der Landesregierung in Stuttgart, gegen die verstärkt wahrzunehmenden Anfeindungen jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger in der Bundesrepublik. Freiburg bezeichnete er als einen unter mehreren Hotspots hetzerischer Vorfälle in der NS-Zeit. Sie ist die Stadt Heideggers, der zur Zeit seines Universitätsrektorates 1933 nichts unternahm, antijüdische Ressentiments an der Universität zu unterbinden, und der 1934 den Wahlaufruf „Deutsche Wissenschaftler hinter Adolf Hitler“ unterzeichnete. Freiburg ist aber auch die Stadt Gertrud Luckners, der mutigen Caritasmitarbeiterin und katholischen Widerstandskämpferin, die selbstlos und engagiert ein weites Netz von Fluchthelfern aufbaute, um jüdische Menschen beim Verlassen von Nazi-Deutschland in jeder denkbaren Weise zu unterstützen. Heute ist es angesichts der gegenwärtigen judenfeindlichen Tendenzen wieder geboten, ganz im Geiste Gertrud Luckners Partei zu ergreifen und dem Rassismus keinen Raum zu lassen.
Die Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde Irina Katz blickte in ihrem Redebeitrag zunächst auf die wechselvolle Geschichte der Freiburger Juden und ihre Bethäuser zurück und dankte der Stadt Freiburg dafür, dass mit ihrer großzügigen Unterstützung der Bau der Neuen Synagoge möglich und so eine neue, attraktive Heimstätte für die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger geschaffen wurde. Darüber darf jedoch nicht die schmerzliche Vergangenheit vergessen werden. Wörtlich sagte Irina Katz: „ Mit der Eröffnung des neugestalteten Platzes der Alten Synagoge mit Gedenkbrunnen am 2. August 2017 wurde die verbrecherische Mord- und Zerstörungswut der Nationalsozialisten eindringlich und unübersehbar in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Die Erinnerungsstätte an einer zentralen Stelle in der Stadt fordert immer wieder zu einer Auseinandersetzung mit dem dunkelsten Kapitel deutscher Vergangenheit heraus. Es ist ein Stück Erinnerungsarbeit, die die vergangenen Verbrechen nicht in Vergessenheit geraten lässt, und gleichzeitig auch Mahnung, die nicht überhört werden darf. Wünschenswert wäre es, wenn diese Gedenkstätte auch die ihr gebührende Wertschätzung bei allen Teilen der Bevölkerung und auch bei Besuchern und Touristen der Stadt finden würde.“
Für eine ehrliche und angemessene Würdigung jüdischen religiösen und kulturellen Brauchtums setzte sich Volker Beck in einer engagierten Rede ein. „Respekt. Ganz praktisch“ war der Titel seines Vortrages. Beck, Lehrbeauftragter am Centrum für Religionswissenschaftliche Studien (CERES) der Ruhr_Universität Bochum, erinnerte an die mangelnde Rücksichtnahme privater und staatlicher Einrichtungen auf die traditionsgebundenen Lebensweisen jüdischer Menschen in Deutschland und forderte ihre respektvolle Anerkennung ein. Beck endete mit den Worten :„Freude über jüdisches Leben darf keine Floskel für Jubiläen und Gedenkreden sein! Sie muss sich im Alltag beweisen, im Respekt, ganz praktisch.“
Musikalisch gerahmt wurde die Gedenkstunde von Dana Bostedt (Violine) und Theresa Heidler (Klavier), zwei mehrfach ausgezeichnete hochbegabte junge Künstlerinnen, die Mitglieder der Internationalen Musikakademie Nigun sind.
Zuvor am Spätnachmittag stellte im Rahmen einer Gedenkstunde im Gertrud-Luckner-Saal des Jüdischen Gemeindezentrums eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Freiburger Studenten unter der Regie von Dr. Heinrich Schwendemann und von Mitgliedern der Berliner Forschungsgemeinschaft past[at]present das Projekt „Schalom Freiburg“ vor. Es handelt sich dabei um einen Audiowalk, mitbetreut von der Israelitischen Gemeinde und von Julia Wolrab, der designierten Leiterin des neuen Dokumentationszentrums Nationalsozialismus der Stadt Freiburg. Er nimmt die Zuhörer mit auf einen Spaziergang quer durch die Stadt entlang den Spuren jüdischen Lebens. Achtundzwanzig Hörstationen und sechs Interviews berichten über jüdische Orte und Menschen der Stadt, die im normalen Alltag wenig Beachtung finden. Gefördert wurde das Projekt von der Stadt Freiburg im Rahmen des Jubiläumsjahres „Freiburg 2020 – 900 Jahre jung“.
In einem Impulsvortrag zeichnete Dr. Heinrich Schwendemann, Akademischer Oberrat am Historischen Seminar der Universität Freiburg, den weiten Bogen jüdischen Lebens in der Breisgaumetropole von den dokumentierten Anfängen gegen Ende des 13. Jahrhunderts bis hin in die Gegenwart und sah die heutige israelitische Gemeinde gut eingebettet in der aktuellen städtischen Gemeinschaft.
Mit einem herzlichen Dank an alle Mitarbeiter der Projektgruppe „Schalom Freiburg“, an Larissa Schober vom Informationszentrum Dritte Welt (iz3W), die als gewandte Moderatorin die Gedenkstunde strukturierte, und an die jungen Künstlerinnen Dana Bostedt und Theresa Heidler für ihre musikalischen Beiträge beendete Irina Katz die Gedenkstunde.