Chanukka 2020 -Lichterfest im Ausnahmezustand
- 17. Dezember 2020
- Text: Roswitha Strüber, Fotos: Israelitische Gemeinde Freiburg K.d.ö.R.
Es sollte eigentlich der fröhliche und unbeschwerte Auftakt zum 8-tägigen Chanukka-Fest werden, als am Abend des 10. Dezember die erste Kerze an der
neuen über fünf Meter hohen Chanukkia auf dem Platz der Alten Synagoge entzündet wurde. Doch die Beschränkungen durch die staatlichen Auflagen
angesichts der Corona-Pandemie und die Furcht vor einer Ansteckung liessen sich nicht ignorieren und waren auch an den Folgetagen gegenwärtig.
Wie die Vorstandsvorsitzende der Israelitischen Gemeinde Irina Katz in ihren Begrüßungsworten erklärte, erinnern sich die jüdischen Menschen auf der ganzen Welt am Chanukkafest an die Wiedereinweihung des Tempels in Jerusalem vor mehr als 2000 Jahren. Mit der Einnahme Jerusalems durch den griechischen König Antiochus IV. wurde das Heiligtum in einen heidnischen Zeus-Kultort umgewandelt. Nach dem Sieg des jüdischen Heerführers Judas Makkabäus über die fremden Herrscher im Jahre 164 vor der Zeit musste der geschändete Tempel wieder gereinigt und neu eingeweiht werden. Chanukka ist aber auch ein Lichterfest, das an das wunderbare Wirken Gottes bei der Tempeleinweihung erinnert. Für die Menora, den siebenarmigen Leuchter, der ständig in einem jüdischen Tempel oder Gotteshaus leuchten muss, war damals nur noch wenig koscheres Öl vorhanden. Die
Bereitung von neuem Öl dauerte aber acht Tage. Mit Gottes Hilfe brannte der geringe Rest Öl in der Menora aber solange, bis ausreichend koscheres Öl wieder gerichtet war. Im Gedenken an die Güte G`ttes und seine Wundertat wurde ein Chanukka-Leuchter, eine Chanukkia, geschaffen mit acht Kerzen, von denen während des achttägigen Chanukkafestes an jedem Tag eine weitere Kerze entzündet wird.
Das Entzünden der ersten Kerze hatte Boris Gschwandtner, Dekanatsreferent im Erzbistum Freiburg, auf Bitten von Irina Katz übernommen. Es sei schon seit Jahren eine gute Tradition, so Gschwandtner, dass Vertreter der christlichen Religionen regelmäßig die schöne Aufgabe übernehmen, an Chanukka eine Kerze zu entzünden. Gebete und Chanukka-Lieder, im folgenden vorgetragen von Kantor Moshe Hayoun, sowie das Verteilen von Sufganiyot an die Anwesenden gehören zum lang gepflegten Brauchtum.
In einer Grußbotschaft hatte zuvor Weihbischof Peter Birkhofer, Bischofsvikar für den religiösen Dialog in der Erzdiözese Freiburg, den jüdischen Gemeinden in Baden zum Beginn des Weihefestes Chanukka gratuliert. Wörtlich schreibt der Bischof: „Mittlerweile sind öffentliche Chanukka-Feiern zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Das ist ein gutes Zeichen für die Anerkennung jüdischen Lebens in Deutschland. Dass die Corona-Pandemie Einschränkungen vor allem familiärer Feiern auferlegt, diesen Schmerz teilen wir mit unseren jüdischen Schwestern und Brüdern – ist Chanukka doch vor allem ein Fest der Familie, ganz ähnlich wie das christliche Weihnachtsfest.“
Zum Anzünden der zweiten Kerze am 11. Dezember hatte sich Erster Bürgermeister Ulrich von Kirchbach bereit erklärt. Als besonderen Gruß der Stadt Freiburg übergab von Kirchbach zudem ein bronzenes Modell der Alten Synagoge, die an diesem Ort 1938 von den Nazis in Schutt und Asche gelegt wurde. Die Stadt hatte die Plastik bei dem Freiburger Künstler Tobias Eder in Auftrag gegeben, um den viel diskutierten Erinnerungsort „Gedenkbrunnen“ ergänzend zu charakterisieren. Mit einem kurzen Grußwort von Dr. Fabian Freiseis, Beauftragter der Erzdiözese Freiburg für den interreligiösen und interkulturellen Dialog, und mit Chanukka-Musik von Kantor Moshe Hayoun und Elik Roitstein, Familienreferent der IRG Baden, endete die Chanukka-Feier.
Mit Weihbischof Christian Würtz übernahm am 12. Dezember, dem dritten Chanukka-Tag, ein weiterer Vertreter der Katholischen Kirche die ehrenvolle Aufgabe, eine weitere Kerze an der Chanukkia auf dem Platz der Alten Synagoge zu entzünden. Der Bischof betonte, dass gerade in der gegenwärtigen Zeit, die die Menschen mit Sorge und Angst um Gesundheit und Zukunft belastet, ein Licht der Zuversicht wichtig ist. Chanukka steht für diese Hoffnung und gibt eine Orientierung in der Dunkelheit.
Der vierte Tag der Chanukka-Feier, der 13. Dezember, führte gleich drei Persönlichkeiten an der Chanukkia auf dem Platz der Alten Synagoge und später im Synagogenraum an der Engelstrasse zusammen. Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh, Weihbischof Peter Birkhofer und Bürgermeister Stefan Breiter übernahmen mit sichtbarer Freude das Anzünden der vierten Kerze an beiden Orten. In einer kleinen Feierstunde im Betraum des Gemeindezentrums der Israelitischen Gemeinde äußerte jeder der drei Redner die Hoffnung, dass die augenblicklichen Beschränkungen durch die Pandemie, die die Menschen in ihrem privaten und beruflichen Leben derzeit in hohem Maße belasten, im kommenden Jahr überwunden werden können. Kantor Moshe Hayoun und das Trio Scho aus Berlin sorgten für den musikalischen Rahmen.
Für den fünften und sechsten Chanukka-Tag hatte die Vorstandsvorsitzende weitere Vertreter des öffentlichen Lebens zum Anzünden der Kerzen an der Chanukkia eingeladen. So folgten u.a. am 14. Dezember der Leiter des Polizeireviers Freiburg-Nord und einen Tag später Dr. Gantert vom Vorstand des Caritasverbandes Freiburg-Stadt der Einladung von Irina Katz.
Mit Zufriedenheit stellte Baubürgermeister Martin Haag fest, dass sich die anfänglichen kontrovers geführten Diskussionen bezüglich der Neugestaltung des Platzes der Alten Synagoge mit der Einbindung des Gedenkbrunnens beruhigt haben und dem Erinnerungsort nun im Großen und Ganzen der angemessene Respekt entgegengebracht wird. Deshalb sei er, so Haag in seinem Grußwort, auch gerne der Einladung gefolgt, an diesem denkwürdigen Ort an der Chanukkia die siebte Kerze zu entzünden. Als Symbol für die Verbundenheit zwischen unterschiedlichen Religionen sah Grünen-Stadtrat Karim Saleh die an ihn herangetragene Bitte, am 16. Dezember das siebte Chanukka-Licht anzuzünden. Denn gerade persönliche Kontakte sind wichtig in der gegenwärtigen Zeit, betonte der Stadtrat. Katja Niethammer, Leiterin des Amtes für Migration und Integration der Stadt Freiburg, unterstrich den Gedanken der Hoffnung, der im Licht der Chanukka-Kerze liegt; es ist ein starkes Zeichen in der augenblicklichen Zeit der Ungewissheit. Gemeinsam mit jungen Leuten verschiedener Nationalitäten entfachte die Amtsleiterin das siebte Licht.
Bevor am 17. Dezember, dem achten Chanukka-Abend, die Chanukkia mit all ihren Kerzen in vollem Licht erstrahlte, verdeutlichte Landesrabbiner Moshe Flomenman mit kraftvollen Worten den eigentlichen Kerngedanken, der dem Chanukka-Fest innewohnt. Es ist die Hoffnung darauf, so der Landesrabbiner, dass das Unmögliche wahr werden kann. Vor rund 2200 Jahren befreiten sich die vom griechischen König Antiochus unterworfenen Juden von der Herrschaft , obwohl es unmöglich erschien, und vor 2200 Jahren weihten sie ihr geschändetes Heiligtum, den Tempel, wieder neu ein, obwohl für die Zeremonie nicht genügend rituelles Öl vorhanden war. So wie zur damaligen Zeit Wunder möglich waren, sind sie es auch heute. Ist es doch ein Wunder, so der Rabbiner weiter, dass sich nach der verbrecherischen Naziherrschaft heute wieder jüdisches Leben in Deutschland entfalten kann, und ist es nicht ebenfalls ein Wunder, dass auf dem Platz der zerstörten Synagoge mitten in der Innenstadt von Freiburg ein jüdischer Gedenkort errichtet wurde. Wunder und Träume können wahr werden, man muss sie nur wollen, endete Flomenman.
Grußworte, verbunden mit dem Dank für die Einladung zum Kerzenanzünden sprachen u.a. auch Dompfarrer und Dekan Christoph Neubrand, Polizeipräsident Franz Semling, CDU-Stadtrat Klaus Schüle und Matthias Pliefke vom städtischen Garten- und Tiefbauamt. Mit fröhlichen Liedern, intoniert von der Roman Kuperschmidt Klezmer Band aus Frankfurt, und dem Austeilen süßer Sufganiyot an die anwesenden Kinder klang der achte und letzte Tag des Chanukkafestes 2020 aus. Die Vorstandsvorsitzende Irina Katz bedankte sich abschließend mit dem Verlesen der Namen aller Gäste, die der Einladung zum Mitfeiern gefolgt waren, und wünschte ein herzliches Schalom.