Jom ha Shoah 2020
- 20. April 2020
- Text und Fotos: Roswitha Strüber
Jedes Jahr erinnern sich die jüdischen Menschen weltweit an „Jom ha Shoa“ an den millionenfachen Mord der Nationalsozialisten an der jüdischen Bevölkerung. Auch die Freiburger jüdische Gemeinde hat sich in den vergangenen Jahren mit Gedenkveranstaltungen in der Synagoge und letztens auf dem neu gebauten Platz der Alten Synagoge inmitten Freiburgs daran beteiligt.
In diesem Jahr jedoch zwang die schreckliche Welle der Corona-Erkrankungen auf ein öffentliches Erinnern zu verzichten. Den behördlichen Auflagen zur Eindämmung der Epidemie folgte die jüdische Gemeinde uneingeschränkt und mit großem Verständnis und wählte den Weg der Online-Botschaft, um auf das verbrecherische Geschehen vor mehr als 75 Jahren aufmerksam zu machen.
In Ihrer Begrüßungsrede ging die Vorstandsvorsitzende Irina Katz auf den Tag ein. „Jom ha Shoah ist der Tag des Erinnerns an die jüdischen Opfer des Holocaust. Er ist seit 1959 ein israelischer Nationalfeiertag und wird mit Respekt und großer Ehrerbietung vor den ermordeten und gequälten Opfern des Hitler-Regimes begangen. Nachdem am Vorabend sechs Fackeln symbolisch für die sechs Millionen getöteter Juden entzündet werden, heulen am folgenden Vormittag um 10 Uhr in ganz Israel für zwei Minuten die Sirenen, der Verkehr ruht und die Passanten auf der Straße verharren schweigend in stillem Gedenken.
Zahlreiche jüdische Gemeinden auf der ganzen Welt bekunden an diesem Tag mit unterschiedlichen Gedenkveranstaltungen ihre Solidarität, so auch wir.
Gleichzeitig denkt unsere Gemeinde dabei auch insbesondere an die Freiburger jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die in der Schreckenszeit ihr Leben lassen mussten.“ Weiter mahnte die Vorsitzende „wie wichtig und unverzichtbar es gerade in der heutigen Zeit ist, an die Verbrechen der Nazizeit zu erinnern, zeigen die sich häufenden antisemitischen Aktionen und Gewalttaten, mit denen wir zunehmend konfrontiert werden. Presse und andere Kommunikationsmittel berichten immer wieder darüber. Gerade jetzt in der Zeit der Corona-Krise werden antisemitische Hetz – und Hassbotschaften gehäuft verbreitet. In den sozialen Netzwerken werden Verschwörungstheorien platziert, die die Juden für den Ausbruch der Corona-Pandemie verantwortlich machen. So beklagte unlängst der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker in Wiesbaden die wachsende Anzahl von Anschuldigungen, dass die Juden und der Staat Israel neben anderem auch aus wirtschaftlichen Gründen für die Verbreitung des Virus verantwortlich zu machen sind.
Auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung Felix Klein sieht mit großer Sorge die zunehmenden Hetzkampagnen gegen Juden in der Corona-Krise. Krudeste Verschwörungstheorien und rechte Hetze werden in bösartiger Absicht publiziert. „Die Rede ist da von einer jüdischen Übernahme der Weltwirtschaft, jüdischen Gewinnen aus einem möglichen Impfstoff, von Israel entwickelten Biowaffen, oder einem Versuch, die Weltbevölkerung zu reduzieren“ so Klein in seiner Analyse. Damit aus Worten keine Taten werden, sei geschlossener öffentlicher Widerstand gegen Hass- und Hetzreden notwendig.“
Der Organisator des „Marsch des Lebens Freiburg“ und Vertreter der „Aktion Schalom Freiburg“ Ralf Klinger, mahnte in seiner anschließenden Rede an, daß es nicht genug ist „Nie wieder“ zum Holocaust zu sagen, wenn verhindert werden soll, „dass Judenhass in Gewalt übergeht und antisemitische Diffamierungen sich weiter ausbreiten. Wir können in der heutigen Zeit wieder Mitläufer sein und wie unsere Vorfahren durch unser Schweigen schuldig werden. Wir können aber auch aufstehen, erinnern, versöhnen und ein Zeichen setzen für Israel und gegen den modernen Antisemitismus.“
Zum Gedenken an die sechs Millionen ermorderter Jüdinnen und Juden zündeten die beiden Kinder von Ralf Klinger symbolhaft sechs Kerzen an. Der Kantor der Gemeinde Moshe Hayoun trug per Videoübertragung aus Straßburg das „El Male Rachamim“ vor, Vladislav Belinskiy intonierte zwei weitere Lieder.